Clemens Setz und Reality TV

dogalien

Lieber Clemens Setz,

einen Autor mit seinem Sujet oder Protagonisten gleichzusetzen ist wohl ein Fauxpas, der im ersten Literaturstudiensemester bereits allen zukünftigen Kritikern ausgetrieben wird. Nur bei Ihnen oder vielmehr bei mir fruchtet dieses Konzept nicht, sodass mit jedem neuen Setztext in meiner Vorstellung ein neues Stückchen Ihrer Welt zum Vorschein kommt.

In dieser Welt atmen Möbel ächzend auf, wenn Menschen sich endlich von ihnen erheben, zigarettenholende Männer verirren und treffen sich in unterirdischen Höhlensystemen und finden nur deshalb nicht mehr den Weg zu ihren Liebsten. Jede Steckdose lächelt Ihnen freundlich beim Schreiben zu und bunte Zahlen schmiegen sich plüschig an Sie heran.

Wenn Sie wieder so sehr in Ihrem Kopf sind, dass Grottenolme die bezaubernsten Kreaturen der Welt werden und Sie nichts um Sie herum mehr rational begreifen mögen, schalten Sie den Fernseher ein, kein Tatort, eine Liveschaltung holt sie zurück. Sie unterbrechen das Zwiegespräch mit dem schmatzenden Fellball, den nur Sie sehen können und weisen den Baum zurück, der an Ihrem Fenster so vehement um Einlass bittet.

Endlich sagt Ihnen das Jetztfernsehen, dass da draußen noch andere, wirklichere Wesen sind, die nicht oder vielleicht um so mehr nach Ihren Worten tanzen.

Grüßen Sie den kleinen Pinguin auf Ihrem Schreibtisch von mir.

Herzlich.

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